Walzenmühle Erfenschlag - Von der Getreidemühle zum Wohnpark

Walzenmühle - Ernst Stiefel... am Eingang von Erfenschlag, am Fuße des Nordhangs stehend, ragt die Walzenmühle wunderschön rekonstruiert, zwischen Blattgrün heraus... 

 

Vorab Artikel...

Selma und Ernst Stiefel um 1928 - Quelle: Stefanie Stiefel
Selma und Ernst Stiefel um 1928 - Quelle: Stefanie Stiefel

 

 

Die Stiefelmühle war seit 1836 im Besitz der Stiefelfamilie.

Benannt wurde sie nach dem Mühlenbesitzer Karl Ernst Stiefel

(geb. 02.10.1861 – 11.05.1932).

 

Noch heute erinnert daran sein Namenszug an der Vorderfront des Gebäudes. Mit seiner unermüdlichen Arbeit zum Auf- und Ausbau der Walzenmühle trug er wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde Erfenschlag bei.

Nachdrücklich wirkte Ernst Stiefel für den Anschluss von Erfenschlag an das Eisenbahnnetz Chemnitz-Aue-Adorf. So konnte schon 1905 der Güterbahnhof, drei Jahre vor dem Bau des Personenbahnhofes (1908) errichtet werden.  Er unterstützte die Gründung und die Entwicklung der Baugenossenschaft Erfenschlag/Einsiedel im Jahre 1919.  Das war eine Zeit in der es viele Arbeitslose gab. In den ersten Nachkriegsjahren wurden die ersten Wohnhäuser an der Straße (heute) Am Steinberg erbaut.

 

Mit der Einführung von Straßennamen in Erfenschlag im Jahre 1938 wurde die Straße von der Dorfstraße (heute: Am Zwönitzufer) bis zur Einmündung in die Straße Am Steinberg wegen seiner Verdienste für den Ort nach Ernst Stiefel benannt.

 

Nach seinem Tod 1932 wirkte seine Frau Selma Clara Stiefel geb. Gränitz (29.12.1863  –  24.12.1947), sein Sohn Paul (22.09.1896 – 10.09.1967) sowie die Töchter Elsa Stiefel verh. Möckel (25.03.1882 - ?) und Rosa Stiefel verh. Kreisel (09.04.1890 – 19.06.1967) in diesem Sinn weiter. 

 

So überließ die Familie Stiefel der Gemeinde im Jahr 1934 zu einem günstigen Preis ein Flurstück zur Erbauung des Gebäudes für die FFW Erfenschlag. 

Bereits in den 1920er Jahren konnte der Sportverein Erfenschlag auf dem ehemaligen Gelände am „Prüfergut“ Grund und Boden zur Errichtung eines Sportplatzes erhalten.

 

In dieser Tradition stand auch nach 1945 sein Sohn Paul Stiefel im sozialen Wirken für Kinder und Menschen, die besonders stark den Mangel an Nahrungsmittel spürten. Noch Jahrzehnte später erinnerten sich die Menschen, dass man beim Stiefel, Paul „nie mit leeren Händen“ fortgegangen ist.

Mitglieder des Pfeifenclub Erfenschlag vor der Walzenmühle - 1936
Mitglieder des Pfeifenclub Erfenschlag vor der Walzenmühle - 1936
Familie Stiefel - Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Familie Stiefel - Quelle: Verlag Heimatland Sachsen

Am 14. Februar 1945 gab es einen verheerenden Bombenangriff auf Chemnitz, der besonders den Chemnitzer Süden und damit Erfenschlag und Einsiedel erfasste. Ein Dutzend Brandbomben fielen auch auf die Mühle, die aber im eingelagerten Korn „erstickten“ und vom Müller mit seinen Leuten aus dem Gebäude entfernt werden konnten. Somit blieb die Mühle nach der Zerstörung von Erfenschlag und in den darauffolgenden Jahren in Takt.  Der Müller malte das Korn, damit es als Mehl in der nahe gelegenen Großbäckerei der Großeinkaufs-Gesellschaft in der Kauffahrtei zum „täglichen Brot“ für die Chemnitzer Bevölkerung verarbeitet werden konnte. 

 

Nach 1945 musste sich Paul Stiefel der Entnazifizierung stellen. Am 8.2. 1948 wurde sein Entnazifizierungsverfahren in Erfenschlag einstimmig abgeschlossen.

Während der Nachkriegsjahre kam es für die Stiefelfamilie zu einer weiteren Tragödie. Pauls Sohn Karl-Ernst Stiefel (17.03.1929 – 14.03.1947) sollte eigentlich die Mühle erben und war in der Zeit Schüler der Deutschen Müllerschule in Dippoldiswalde. Dort verunglückte er kurz vor seinem 20. Geburtstag.  Als offizielle Todesursache soll er in der dortigen Maltertalsperre „ertrunken“ sein. Dies widerspricht den Informationen aus der Familie. Demzufolge gab es in Dippoldiswalde eine Auseinandersetzung mit russischen Soldaten.

 

Ende der 1940er Anfang der 1950er Jahre wurde der Mühlenbesitzer Paul Stiefel aus wirtschaftlichen Gründen mehrfach verhaftet. Die spitzte sich um 1954 zu. Am 15. März 1954 verhaftete man Paul Stiefel und am 30. August 1954 wurde er wegen so genannten Wirtschaftsverbrechen zu zwei Jahren Zuchthaus und Enteignung des gesamten Geschäfts- und Privatbesitzes vom Kreisgericht Karl-Marx-Stadt verurteilt. 

Auch weitere Mitglieder der Mühlenfamilien kamen in dieser Zeit wegen so genannter Verbrechen ins Zuchthaus, so Paus Schwiegersohn Baumeister Emil Kreisel (07.12.1888 – 30.05.1950) und dessen Tochter, die damalige Jungbäuerin Christine Kreisel (05.01.1927 – 20.11.2007).

Alle diese Verurteilungen wurden nach 1990 vom Strafsenat des Bezirksgerichts Chemnitz in einem Kassationsverfahren für ungültig erklärt.

In diesem Zusammenhang mit den falschen Anschuldigungen gegen die Stiefelfamilie wurde 1954 auch die Umbenennung der einstigen Ernst-Stiefel-Straße in Dr.-Karl-Wolff-Straße vollzogen.

 

Nach seiner Entlassung 1956 flüchtete Paul Stiefel mit seiner Tochter Stefanie Stiefel (24.04.1932 – 20.07.2006) in die Bundesrepublik. Bis um 1960 waren alle weiteren Mitglieder der Mühlenfamilie in den Westen ausgereist oder geflüchtet, da ihnen jede wirtschaftliche Grundlage entzogen worden war.

Der Mühlstein - ein Grabstein auf dem Gottesacker der St. Jakobikirche Einsiedel - Quelle: Stefanie Stiefel
Der Mühlstein - ein Grabstein auf dem Gottesacker der St. Jakobikirche Einsiedel - Quelle: Stefanie Stiefel

 

 

 

Nach 1990 kamen die fast alle Mitglieder der Mühlenfamilie nach Erfenschlag zurück. Alte Kontakte hatten auch die deutsche Teilung überdauert.

Sie fanden schnell wieder einen festen Platz in dem Ort, in den Vereinen, in der Kirchgemeinde usw. 

 

Ihre letzte Ruhe erhielten sie in den Familiengräbern auf dem Einsiedler Friedhof.

 

 

 

Text: Verlag Heimatland Sachsen


Die Rekonstruktion und Ausbau der Walzenmühle zum Wohnpark...

 

Artikel folgt...

Wohnpark Walzenmühle/Mai_2016 - Quelle: Bürgerverein
Wohnpark Walzenmühle/Mai_2016 - Quelle: Bürgerverein
Wohnpark Walzenmühle/Dez_2010 - Quelle: Bürgerverein
Wohnpark Walzenmühle/Dez_2010 - Quelle: Bürgerverein