Spinnmühlen in Erfenschlag

Spinnmühlen Schnabel-Hübner-Eismann-Speer

Ab 1808 Spinnereimühle Schnabel - ab 1817 Hübner - um 1840 Eismann - nach 1918 Speer / Darstellung: um 1842 Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Ab 1808 Spinnereimühle Schnabel - ab 1817 Hübner - um 1840 Eismann - nach 1918 Speer / Darstellung: um 1842 Quelle: Verlag Heimatland Sachsen

 

Vorwort...

1808 und 1812 mechanisch nach englischem Vorbild errichtet, standen zwei imposante Bauwerke in Erfenschlag. Die große Schnabelsche Fabrik rund 25 m hoch, mit aufstrebenden und schön unterteilten Kielbogenmansarddach. Ihre Mauern aus Bruchstein und Ziegeln in ansehnlicher Stärke von 80 cm bis 1 m. Die Steine zum Bau der großen Fabrik konnte man aus dem damaligen nahe gelegenen Steinbruch gewinnen. Trotzdem mussten noch viele Baumaterialien und später auch die Rohstoffe auf noch schwer passierbaren Wegen und Straßen von Pferde- und Ochsengespannen transportiert werden. Denn die Altchemnitzer – Ehrenfriedersdorfer Halbchaussee (Erfenschlager Straße) wurde erst ab 1850, von einem extra dafür gegründeten Wegeverband, gebaut. Eine Eisenbahn gab es auch nicht, erst 1875 wurde die Strecke Chemnitz ‐ Aue ‐ Adorf/V. gebaut. Ein palastähnlichen Eindruck erweckten die vier bis zum Dach emporstrebenden runden Ecksäulen aus Porphyr. Doch diese hatten auch baustatische Zwecke, es ermöglichte dem Bauherr die Mauer dazwischen weniger Stark zu errichten, weil die Stützlast des Gebäudes zum großen Teil durch die Säulen abgeleitet wurde. Aus wahrscheinlich Hilbersdorfer Phorphyr waren auch die Fenstergewände gefertigt. 

 

Der englische Mechaniker Evan Evans, der schon bei den Gebrüdern Bernhard in Harthau die Maschinen eingerichtet hatte, baute nun auch in Erfenschlag den Maschinensaal auf.

Postkarte Erfenschlag um 1930
Postkarte Erfenschlag um 1930

Die Sperrfrist für die neue maschinelle Baummwollverarbeitung nach dem damals fortgeschrittensten Produktionsverfahren war 1808 abgelaufen. Nun begann der Wettlauf in der Baumwollverarbeitung in den mit Maschinen ausgerüsteten Fabriken.

 

Den Käufer Johann Melchior Schnabel, den älteren Bruder nannte man im Kaufvertrag einen "vornehmen Kauf- und Handelsmann" und seinen Bruder Johann Gottlieb, einen "wohlangesehenen Bürger und Seilermeister". Beide waren in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre aus der Textilstadt Glauchau nach Chemnitz gekommen. Hier hatten sie 1799 die Bürgerrechte erworben und konnten dadurch aktiv an der städtischen Entwicklung teilnehmen.

Nach der Aufhebung des Privilegs für Bernhard und von Bugenhagen waren die Gebrüder  Schnabel die ersten Bauherren und Fabrikanten, die nach dem Vorbild der "englischen Fabriken" von Harthau in Erfenschlag 1808 und 1812 tätig wurden. Es ist anzunehmen, dass auch der Bau- und Maurermeister Johann Traugott Lohse, wie schon in Harthau, nun auch in Erfenschlag die Ausführung übernahm.

 

 

Die Fabrikgebäude kosteten nach Schätzung von Sachverständigen etwa 50.000 Taler. Die Bauherren hatten für die Errichtung der Fabriken einen Baukostenzuschuss in Höhe von 15.000 Talern erhalten. Über die im Bild 1808 und 1812 errichteten Fabrikgebäude lesen wir in einem Be-

richt der Königlich Sächsischen Landesökonomie-‚ Manufaktur- und Komerzien-Deputation (Heute würde man diese Kommission als das Ministerium für Wirtschaft bezeichnen): "Es ist zu bedauern, daß diese schöne Spinnmühle an einem wasserreichen Fluße, der nie einen Stillstand des treibenden Zuges befürchten läßt, bey den jetzigen günstigen Conjuncturen nicht besser genutzt werden kann".

Trotz des kritischen Untertons muss festgehalten werden, dass im Jahre 1814 insgesamt 140 erwachsene Personen und 110 Kinder bei Schnabel arbeiteten.

 

Gert Richter

Spinnmühle der Gebr. Schnabel um 1810 / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Spinnmühle der Gebr. Schnabel um 1810 / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen

Am 12.03.1800 wurde in der Ehe von Johann Gottlieb Schnabel und Sophia Elisabeth geb. Siegel die Tochter Henriette Wilhelmine geboren. Das ist von besonderem Interesse für ihren späteren Lebensweg und das unternehmerische Wirken der Familie Schnabel. Denn am 04.03.1821 heiratete sie den Kauf- und Handelsmann Christian Gottlob Eismann. Dieser besaß in Einsiedel an dem Standort, wo heute das Gewerbezentrum Einsiedel steht, ebenfalls eine  Baumwollmaschinenspinnerei. Mit dieser Heirat kam es zu einem Familienbündnis zwischen Eismann und Schnabel. Die Kirchenbücher der St. Jakobigemeinde Einsiedel vermitteln darüber interessante Einblicke.

Die Familie Schnabel blieb dadurch, trotz des Verkaufs an den Chemnitzer Kaufmann Ernst Hübner, der sich 1817 in Erfenschlag etablierte, mit der Gemeinde verbunden. Allerdings verlegte sie nun ihre unternehmerische Tätigkeit nach Einsiedel. Johann Gottlieb Schnabel, errichtete hier auf den Flurstücken der ehemaligen Brettmühle (heute: Fabrikweg) und der mittleren Mühle (heute: EDEKA) wiederum zwei Bauwollmaschinenspinnereien.

Für Erfenschlag begann damit, wie auch in anderen Gemeinden, ein neuer Siedlungsprozess.

 

Der größere Teil der Einwohner ernährte sich von der Arbeit in der Spinnerei. An der Dorfstraße (heute: Am Zwönitzufer / Ecke lnselsteig) baute „Fabrikspinner" Christian Friedrich Lindner sein Wohnhaus. Es steht noch heute und hat alle Hochwasser an der Zwönitz dank der aufopferungsvollen Arbeit der jeweiligen Bewohner überstanden. Erfenschlag entwickelte sich fortan recht schnell und intensiv zu einer lndustriegemeinde am Rande der lndustrie- und Handelsstadt Chemnitz.

 

Gert Richter

Von der Baumwollmaschinenspinnerei zur Plüschweberei 

 

Erfenschlag, eingebettet in ein schmales Tal, hat eine interessantere Geschichte als man glaubt. Bereits 1808 wurde hier die Baumwollmaschinenspinnerei der Gebrüder Schnabel nach dem Vorbild der englischen Baumwollmaschinenspinnereien errichtet. Der englische Mechaniker Evan Evans, der schon bei den Gebrüdern Bernhard in Harthau die Maschinen eingerichtet hatte, baute nun auch in Erfenschlag den Maschinensaal auf.

 

Die Steine zum Bau der großen Fabrik konnte man aus dem damaligen nahe gelegenen Steinbruch gewinnen. Trotzdem mussten noch viele Baumaterialien und später auch die Rohstoffe auf noch schwer passierbaren Wegen und Straßen von Pferde‐ und Ochsengespannen transportiert werden.

Eine Eisenbahn gab es noch nicht. Erst 1875 wurde die Strecke Chemnitz ‐ Aue ‐ Adorf/V. gebaut.

 

Es entstanden nach 1808 viele Spinnereien. Die Errichtung von Spinnmühlen bekam starken Auftrieb. Napoleon hatte 1806 die „ Kontinentalsperre“ verhängt und die Ein‐ fuhr englischer Waren verboten. Die Spinnereien hatten dadurch in Deutschland keine englische Konkurrenz zu befürchten. Mit dem Bau der Spinnmaschinen entwickelte sich auch der allgemeine Maschinenbau. Später wurden die Fabriken von Dampfmaschinen angetrieben.

 

Um 1877 betrug die Arbeitszeit durchschnittlich täglich 12 Stunden. Der Lohn war äußerst gering. Ein Maschinenweber verdiente wöchentlich 8,80 Mark. Die Frauenlöhne betrugen im selben Wirtschaftszweig 5,80 Mark. Von diesem Wochenlohn mussten die Arbeiter auch noch das Öl für die Lampe selbst bezahlen. Außer der Frau mussten auch Kinder in den Betrieben mitarbeiten.

 

Die Bauern standen noch schlechter da. Deshalb gingen viele Bauernsöhne in die Fabriken. „ Stadtluft macht frei!“ war die Parole.

Die Fabrik der Gebrüder Schnabel war fast immer eine Spinnerei oder Weberei gewesen. Nur wenige Jahre hatte Ingenieur Dr. Friedrich hier eine chemische Fabrik. Er durfte aber die Abwässer nicht in die Zwönitz leiten, weil sie in trockenenJahren als Trinkwasser benutzt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen Speers die nun mit modernen Maschinen eingerichtete Fabrik. Die Erzeugnisse der Firma Otto Speer waren weltberühmt. Sie lieferten ihre Plüschwaren nach Frankreich, Rumänien und England.  

                                                                                                                                                       

Anita Otte geb. Gläser, als Schulaufsatz 1957geschrieben, 2002 redaktionell bearbeitet / 600 Jahre Erfenschlager Straße

Schnabelsche Spinnmühle um 1814 / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Schnabelsche Spinnmühle um 1814 / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Die kleiner Schnabelsche Spinnerei von 1812 Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Die kleiner Schnabelsche Spinnerei von 1812 Quelle: Verlag Heimatland Sachsen

... die 1812 gegründete, zweite ‐ ebenfalls von Schnabel u. Co. eingerichtete ‐ Spinnerei steht noch. Sie hat im zweiten Weltkrieg das geschweifte Kielbogendach, das durch ein Walmdach ersetzt wurde, verloren. 

Hier (An der Ölmühle 4) ist gegenwärtig ein kleiner Maschinenbaubetrieb tätig. Ein unweit davon gelegenes sogenanntes Meisterhaus (An der Ölmühle 6) wie auch verschiedene andere Wohnhäuser stehen unter Denkmalschutz.


Plüschweberei Speer - Ruine / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen
Plüschweberei Speer - Ruine / Quelle: Verlag Heimatland Sachsen

Um 1940 gab es Bestrebungen die beiden Spinnmühlen unter Denkmalschutz zu stellen. Was auch gelang, auf Antrag der Gemeinde sind beide Gebäude 1940 in die Landesdenkmalliste aufgenommen worden. Die dafür notwendigen Instandhaltungsarbeiten an Struktur und Fassade wurden jedoch auf eine Zeit nach dem Krieg verschoben. 

 

Bei den Bombenangriffen im Februar 1945 suchte die Familie Speer und die Nachbarn Unterschlupf im Bunker oberhalb der Papierfabrik Einsiedel. Das mit hohem Mansarddach mit aufgesetztem Walmdach und mit 4 Dachgeschossen versehene Gebäude wurde von Bomben getroffen und brannte in der Nacht vom 14. zum 15. Februar 1945 völlig aus, so dass nur die Umfassungsmauern stehengeblieben waren. Der charakteristische Dachaufbau, auch als Kielbogenwalmdach bezeichnet, war komplett verbrannt. 1950 musste das dritte Obergeschoß und 1959 die Ruine in ihrer Gesamtheit abgebrochen werden. 

Wie ein glühendes Gerüst standen nur noch die dicken Umfassungsmauern. Die große Rotbuche und der Schornstein fielen den Flammen nicht zum Opfer. Sie standen noch bis 1958 unter Natur- und Denkmalschutz. 

Bei den Sprengarbeiten 1959, zur Beseitigung des Schornsteines, kam es beinahe zu einem Unglück. Der Schornstein fiel nicht in die gewünschte Richtung und schlug nur kurz vor dem Kindergarten auf dem Boden auf. Das Wohnhaus der Fam. Speer rechts neben der Plüschweberei wurde nach dem Krieg zum Kindergarten umfunktioniert.

 

Bemühungen zum Aufbau der großen Spinnerei zur Nutzung als, in der Nachkriegszeit dringend benötigte, Arbeits- und Geschäftsräume verliefen sich in vielen Problemen. Es mangelte an Holz im Wert von 120.000 Mark allein nur für die Dachkonstruktion, es gab auch keinerlei Behörde welche dementsprechende Maßnahmen finanziert und in die Wege geleitet hätte. Die übrigen Erben hatten keinerlei Möglichkeiten diese Aufgabe zu stemmen, der Besitzer Wilhelm Speer galt als verschollen.


Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts setzte sich in Erfenschlag neben Nadelmacherei und Wattefabrikation vor allem die zuerst hausindustriell betriebene Strumpfwirkerei durch. 1909/10 beschäftigten sich unter 9 Erfenschlager Fabriken allein 5 mit der Herstellung von Wirkwaren, hauptsächlich Strümpfen; darüber hinaus bestanden je 1 mit Dampfkraft betriebene mechanische Plüschweberei und Möbelfabrik, 1 mit Wasserkraft betriebene Walzenmühle, die nach ihren langjährigen Besitzern als Stiefelmühle bekannt geworden ist, sowie 1 Ölmühle. Im Hauptgebäude der ehemaligen Stiefelmühle befinden sich heute große Wohnungen und wird auch als Wohnpark bezeichnet. Erst nach dem ersten Weltkrieg hielt auch die Maschinenbauindustrie Einzug in Erfenschlag. ...